⇐ zurückFür die erfolgreiche Wurzelbehandlung unterscheidet man 2 Ursachen:
- infektiöse Ursache (Bakterien)
- physikalisch/chemische Schädigung (Hitze, Chemikalien)
Ausgangssituation bei Bakterien schwieriger
Bei infektiöser Ursache besteht eine erhöhte Gefahr, dass sich die Keime in den Knochen ausbreiten und somit eine Knochenentzündung verursachen.
Bei physikalisch/chemischer Schädigung zerfällt das Pulpengewebe meist, man spricht von einer Nekrose. Auch nekrotisches Gewebe kann eine Knochenentzündung verursachen, diese ist aber seltener. Meistens schafft es der Körper (das Immunsystem) die Nekrose abzubauen und auszuheilen. Häufig „verkalkt“ dieses nekrotische Gewebe – man spricht auch von einer Wurzelkanalsklerose. Wiederum Jahre später kann es zu einer Wurzelresorption kommen - die Wurzel „wird“ zu Knochen. Manchmal können diese Prozesse alle nebeneinander an einem Zahn ablaufen.
(Zahnröntgen rechts: Kronenversorgung vor Jahren, durch thermische Schädigung beim Beschliff kam es Jahre später zu oben genannten Phänomenen wie Wurzelresorption, Wurzelkanalsklerose, Knochenentzündung).
Wie sich der Verlauf entwickelt hängt also davon ab, ob a priori Bakterien vorhanden sind oder nicht und wie der eigene Körper mit der Entzündungsreaktion umgeht.
Entzündungslotterie!
Vorweg ein bisschen über unser Immunsystem. Es ist in der Lage, sowohl körperfremde als auch körperschädigende Strukturen zu erkennen und zu eliminieren. So genannte „Markierungszellen“ erkennen und markieren fremde Strukturen (z.B. Bakterien, tote Zellen, Zellreste, Viren, Pilze). Anschließend erkennen “Fresszellen“ diese Markierungen und entfernen diese Elemente. Die Entzündung ist gebannt.
Für eine Immunreaktion werden Immunzellen benötigt, diese befinden sich im Blut. Im Bereich des Entzündungsherdes muss also Blut sein, damit dieser gut „bekämpft“ werden kann.
Nun ist der Wurzelkanal nach einer Wurzelbehandlung eine „Kalkhöhle“ ohne Blutgefäße; an den Wänden hängen vielleicht noch Zellreste, die von der Wurzelbehandlung übrig geblieben sind. Blutgefäße finden sich aber erst im Knochen wieder. Somit haben Bakterien bei Abwesenheit von Blut ideale Bedingungen sich zu vermehren – sie sind sozusagen vor dem Immunsystem in der geschaffenen "Kalkhöhle", der Pulpahöhle, geschützt. Sie ernähren sich von den Zellresten und vermehren sich ungestört.
Irgendwann ist die Zellzahl so groß, dass sich die Bakterien in den Knochen über eine kleine Öffnung an der Wurzelspitze ausbreiten – es kommt zur Knochenentzündung. Der Körper ist nun häufig nicht mehr in der Lage, mit der großen Bakterienzahl fertig zu werden. Die Entzündung schreitet voran und es kommt zu akuten klinischen Symptomen (Schmerzen).
Aber auch die Abwesenheit von Bakterien kann zu einer Entzündung führen. Ist viel Restgewebe nach der Wurzelbehandlung oder aufgrund der Wurzelkanalanatomie vorhanden, das „fault – nekrotisch“ wird, dann kann das Immunsystem mit dem Abbau ebenfalls überlastet sein. Zu wenige Immunzellen vor Ort tragen zur Entstehung der Entzündungsreaktion bei.
Somit hängt die Entzündungswahrscheinlichkeit von verschiedenen Faktoren ab:
- Zugänglichkeit des Immunsystems
- Immunstatus des Patienten
- Art, Menge und Aggressivität der auslösenden Ursache
- lokale Faktoren (Anatomie, Vorteile der Mikroorganismen,...)
Die Symptome
Die Symptome eines entzündeten Zahnnervs sind sehr unterschiedlich. Im Folgenden werden die verschiedenen Formen aufgezeigt und ihre Entstehung erläutert.
- Im Idealfall spüren Sie heftige Schmerzen ins Gesicht ausstrahlend, der Zahn ist sehr berührungsempfindlich – akute Zahnnerventzündung (Pulpitis).
- Häufig mündet diese akute Schmerzphase in ein dumpfes Schmerzgefühl, welches nach wenigen Tagen vergeht. Der Zahn reagiert beim Zahnarztbesuch nicht mehr auf den Kältereiz, das Röntgen zeigt Veränderungen, wie z.B. Wurzelkanalsklerose, Verbreitung des Parodontalspaltes, … – Pulpennekrose. Der Ausgang ist ungewiss, es kann akut in eine Knochenentzündung übergehen (auch nach Jahren) oder aber „nur“ in einer Wurzelkanalsklerose enden.
- Viele Patienten spüren gar keinen Schmerz in der akuten Phase, der Zahn wird erst nach Jahren klopfempfindlich – Pulpennekrose mit nachfolgender Knochenentzündung.
- Andere wiederum spüren ebenfalls nichts oder können sich nicht mehr an die kurzen Schmerzen erinnern. Sie bemerken aber einen „Dippel“ in der Mundhöhle aus dem sich Eiter entleert – Knochenentzündung. Der Körper konnte den „Herd“ nicht besiegen, er hat ihn mittels Narbengewebe isoliert. Die Bakterieninvasion ist somit gestoppt. Nun dräniert der Körper die Immunzellen samt Bakterien über eine Fistel in die Mundhöhle.
Die Übergänge dieser Reaktionen sind fließend, häufig kommen auch mehrere Kombinationen vor, viele können erst nach Jahren auftreten. Zudem ist nicht zu vergessen, dass jeder Patient Schmerzen an sich anders empfindet.
Was ist zu tun?
Alle Zähne die beschliffen sind oder Füllungen haben, müssen halbjährlich auf Vitalität kontrolliert werden. Wenn der Kältereiz negativ ausfällt (der Zahnarzt spricht von „nicht sensibel“), kann dies ein Hinweis sein, dass der Zahnnerv Schaden gezogen hat, denn ein gesunder Nerv leitet den Kältereiz weiter. Dabei ist es egal wie intensiv Sie die Kälte spüren, auch ein wenig ist ein „leiten“.
Vorsicht ist geboten, wenn Sie den Kältereiz sehr lange spüren, auch wenn die Reizung schon beendet wurde, der Schmerz also nachzieht – dies kann ein Hinweis auf eine akute Nerventzündung sein.
Wenn nichts empfunden wird, sollten Röntgenbilder angefertigt werden. Zeigen sich hier ebenfalls Veränderungen, die auf einen „toten“ Zahnnerv schließen lassen, dann gehört der Zahn wurzelbehandelt, denn er ist devital und somit eine Bedrohung für den Körper.
ZahnMedizin!
Jeder „Herd“ löst eine Entzündungsreaktion aus. Er belastet unser Immunsystem, der Körper ist ständig mit „Arbeit“ beschäftigt. Auch wenn Sie keine Schmerzen haben und nichts von Ihrem Herd wissen oder bemerken. Zudem kann es, wenn es sich um einen infektiösen Herd handelt, zu einer Streuung der Bakterien kommen. Diese „Bakterien auf Wanderschaft“ lassen sich gerne dort nieder, wo sie dem Immunsystem entgehen können – z.B. an nicht eigenen Körpermaterialien (Implantate, künstliche Herzklappen,…), schlecht durchbluteten Körperteilen (Extremitäten von Diabetikern,…) oder an guten Nährböden (Blutgerinnsel – Thromben,…). Dort richten diese „gestreuten“ Bakterien wiederum durch lokale Entzündungsreaktionen Schaden an.
Nicht infektiöse Herde (z.B. ein nekrotischer Zahn nach thermischer Schädigung) können ebenfalls als Nährboden und Schlupfwinkel für Bakterien dienen. Deshalb gehört jeder Herd unabhängig von seiner Entstehungsgeschichte saniert!
Das Ziel der Wurzelbehandlung ist klar!
Was erreicht werden soll:
- alle Kanäle müssen vom Wurzelkanalgewebe samt eventuell vorhandenen Bakterien befreit werden.
- um eine optimale Füllung der „Kalkhöhle“ zu gewährleisten, müssen glatte konische Wurzelkanalwände hergestellt werden.
- chemisch–medikamentöse Keimreduktion/-elimination in der aufgearbeiteten „Kalkhöhle“
- kein Einschleppen von neuen Keimen aus dem Speichel.
- dichte Füllung der Kanäle, um eventuell vorhandenen Restkeimen den „Lebensraum“ zu nehmen. Um alle Kanäle zu „erwischen“, benötigt man ein Mikroskop zur Vergrößerung.
Bezüglich der Instrumente jagt eine Neuentwicklung die andere. Nicht nur gute Instrumente, sondern auch die Wartung dieser erfordert ein genaues Protokoll.
Während der Behandlung dürfen keine neuen Bakterien in den Kanal gelangen. Der Kofferdam bewirkt, dass die Bakterien im Speichel vom Arbeitsgebiet ferngehalten werden!
Die Kanäle müssen lange mit Spüllösungen gereinigt werden. Diese Lösungen sollten nicht in die Mundhöhle kommen, die Verwendung eines Kofferdams ist also unverzichtbar.
Manchmal ist es sogar notwendig das Arbeitsgebiet mit zusätzlichen Pasten abzudichten – sauber arbeiten ist unsere Devise! Sonst besteht die Gefahr, dass die Wurzelbehandlung Jahre später in eine Wurzelspitzenresektion mit nachfolgender Extraktion mündet.
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